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Was ist eine Lerntherapie?
Eine Lerntherapie ist eine spezielle pädagogisch-psychologische Förderung für Kinder und Jugendliche, die eine Lernstörung haben. In der Lerntherapie wird kein Schulstoff wiederholt, sondern individuell auf die Lernstörung des Kindes eingegangen. Eine Lernstörung ist zum Beispiel eine Legasthenie, bei der das betroffene Kind große Schwierigkeiten beim Erwerb der Lese- und Rechtschreibfähigkeiten hat. Eine weitere Lernstörung ist die Dyskalkulie – schwere Probleme beim Erwerb der Rechenfähigkeiten. Ebenso unter Lernbehinde-rungen fallen auch ADS und ADHS (Hyperaktivität), wie auch kombinierte Lernstörungen und Probleme in Fein- und Grobmotorik.

Was ist eine Lernstörung?
Eine Lernstörung hat im Gegensatz zu einer Lernschwäche körperliche Ursachen. Eine Lernschwäche entsteht, wenn ein Kind durch mangelnde Beschulung oder verpassten Unterricht mehrere Jahre im Rückstand in einem oder mehreren Fächern ist. Eine Lernschwäche kann vollständig behoben werden, wogegen eine Lernstörung nur gemildert, aber nicht geheilt werden kann. Bei einer Lernstörung sind bestimmte Bereiche im Gehirn nicht miteinander verbunden. Außerdem haben japanische Wissenschaftler herausgefunden, dass das Gehirn eines Legasthenikers die mit den Augen aufgenommenen Bilder verkehrtherum darstellt und es deshalb zu Schwierigkeiten mit dem Erkennen der Buchstaben b und p oder q und d kommt. Vermutlich ist es bei einer Rechenstörung ähnlich, da Menschen mit Dyskalkulie oftmals die Zahlen verkehrtherum schreiben. Dieses ist allerdings noch nicht vollständig bewiesen. In der Schule kann diese spezielle Förderung nicht umgesetzt werden, da die Lehrkräfte weder die Zeit noch die nötige Ausbildung zur Bewältigung dieser Aufgabe haben. Wenn in einer Klasse mit 30 Kindern 2 Kinder mit einer Lernbehinderung sitzen, sind die Lehrkräfte oftmals überfordert bzw. wissen nicht, wie sie mit dem einzelnen Kind umgehen müssen. Eine Lernstörung hat nichts mit Unwillen oder Faulheit zu tun. Diese Kinder können nichts dafür, dass Ihnen der Erwerb der einzelnen Bereiche so schwer fällt. Wenn diese Kinder keine Förderung bekommen, geraten sie in einen Teufelskreis, aus dem es schwer ist, wieder hinauszukommen. Der Teufelskreis sieht folgendermaßen aus:
Wenn die schulische Förderung nicht mehr ausreicht, wird außerschulische Hilfe erforderlich. Dieter Betz und Helga Breuninger haben 1987 ein systemisches Modell entwickelt. Dieses System ist in drei Kreisläufe eingeteilt.

 

1. Innerpsychischer Kreis


Der innerpsychische Kreis verhindert erfolgreiches Lernen. Das passiert auf der Grundlage von:
- mangelnder Motivation
- unzureichendem Lernverhalten (Das Kind hört auf zu lernen.)
- Angst (zu versagen)
- Stress (mit sich selbst, den Eltern, den Lehrern und anderen Personen im sozialen Umfeld)
- Blockierungen (Wissen überhaupt aufzunehmen)
Die Folge daraus sind hemmende Erklärungen („Ich lerne das nie!“, „Ich kann das sowieso nicht!“), Stigmatisierung (gemobbt werden, von anderen schlecht behandelt werden) und Persönlichkeitsprobleme lassen diesen Kreislauf chronisch werden. Au-ßerdem erwarten die Kinder Misserfolge und diese werden auch von ihrem Umfeld erwartet. Ein schlechter Schüler bleibt ein schlechter Schüler. So wird es erwartet.

 

2. Sozialer Teufelskreis


Ein Schüler, der immer wieder nur Misserfolge erlebt, zeigt in den meisten Fällen ein „auffälliges“ Verhalten. Das kann provokatives, aggressives, depressives oder gehemmtes Verhalten sein. Provokatives Verhalten zeigt sich darin, dass sich ein Schüler anderen Kindern oder Erwachsenen gegenüber herausfordernd verhält und dabei meist unbedacht handelt. So kann es zum Beispiel passieren, dass ein Schüler durch sein provokatives Verhalten einen Lehrer dazu verleitet, ihm Strafen zu geben, die völlig übertrieben wirken. Im folgenden Beispiel wird dieses noch verdeutlicht:


Der 12-jährige Max* (Name geändert) war immer ein fröhlicher und aufgeschlossener Junge. Erst vor kurzem veränderte sich sein Verhalten, nachdem er auf die weiterführende Schule gewechselt war. Neue Lehrer, neue Klassenkameraden, neue Unterrichtsfächer… Alles war neu und Max fühlte sich hilflos, da er selbst nicht wusste, was mit ihm passiert. Schreiben konnte er noch nie gut, aber plötzlich schrieb er eine schlechte Note nach der anderen und nun sollte er sogar das 6. Schuljahr wiederholen. Seine Eltern schoben alles auf die beginnende Pubertät und Faulheit. Aber Max war nicht faul. Er lernte, aber der Schulstoff wollte einfach nicht in seinem Kopf bleiben. Auch die Nachhilfe, die ihm seine Eltern besorgt hatten, brachte überhaupt nichts. Zu Hause, vor der Arbeit, konnte er alles, sobald er aber in der Schule war, fühlte er eine absolute Leere in seinem Kopf.
Eines Tages wurde Max von seinem Lehrer aufgefordert, einer neuen Mitschülerin die Schule zu zeigen und ihr beim Start in der neuen Schule zu helfen. Max erwiderte dem Lehrer: „Den Scheiß können Sie alleine machen.“ Diese Aussage nahm der Lehrer zum Anlass, Max vier Stunden nachsitzen zu lassen. Max‘ Eltern sind mit der Methode des Lehrers vollkommen einverstanden und geben Max die Schuld an seinem Verhalten. In den folgenden Wochen wurde Max immer provokativer in seinem Verhalten. Er widersetzte sich allen Anweisungen seiner Lehrer und schwächere Mitschüler verspottete er vor der ganzen Klasse.


Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass sich Max durch sein provokantes Verhalten Aufmerksamkeit verschafft. Ihm sind die Folgen seines Handelns egal und durch sein Fehlverhalten kann er das eigentliche Problem gut verbergen.
Ein weiteres Beispiel soll die aggressive Verhaltensweise eines Schülers verdeutlichen.


Tom* (Name geändert) ist 11 Jahre alt und sollte eigentlich die 6. Klasse besuchen. Tom geht seit 4 Jahren nur noch unregelmäßig zur Schule und befindet sich schulisch auf dem Stand der 2. Klasse. Was soll er auch in der Schule? Schule ist blöd. Lehrer sind blöd. Kinder sind blöd. Die sind sowieso alle gegen ihn. Er ist mittlerweile von 14 Schulen geflogen und nun soll er mal wieder in die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dort war er bereits auch schon mehr als zehn Mal. Tom denkt sich, warum sollte er an seinem Verhalten etwas ändern? Wer nervt, wird bedroht, geschlagen oder ausgeraubt. So kommt Tom am besten weiter. So bekommt er Aufmerksamkeit. So kümmern sich die Leute mal um ihn und seine Belange. Seit der 2. Klasse zeigten sich bei Tom Lern- und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten. Er ist nicht dumm, aber für ihn sind große Klassen nicht geeignet. Außerdem benötigt Tom eine Lernbegleitung, die ihm immer wieder versagt wurde.
Eigentlich lebt Tom mit seiner kleinen Schwester bei seinem Vater und seinen Großeltern. Eine Schule gab Tom eine Chance aufgenommen zu werden, aber Tom brauchte zwischendurch immer wieder Ruhepausen. Diese Ruhepausen wurden ihm nur unzureichend gestattet. Dadurch kam es zu einem Zwischenfall, bei dem er einen anderen Schüler mit einer abgebrochenen Bierflasche bedrohte. Daraufhin wurde Tom der Schule verwiesen. Dass Bierflaschen auf einem Schulgelände nichts zu suchen hatten, wurde einfach ignoriert. Tom war schuld. So wie immer. Ein weiteres Projekt für Schüler, die auf externem Weg Schülern die Möglichkeit gibt, einen Schulabschluss zu erlangen, lehnte Tom ab. Er passe nicht in ihre Einrichtung, wurde gesagt. Tom war bei allen Gesprächen anwesend und es wurde über ihn gesprochen, als wäre er ein Gegenstand oder gar nicht da. Als Tom nach diesem Gespräch zu Hause bei seinem Vater war, packte er seine Sachen, lief weg und zerstörte anderer Leute Eigentum. Er zündete Mülltonnen an, brach ich fremde Gebäude ein und stahl Lebensmittel im Supermarkt. Als er im Supermarkt erwischt wurde, trat er einem Polizisten in den Bauch und lief weg. Die Konsequenzen waren ihm egal. Er würde sowieso niemals einen guten Job bekommen, also was sollte es.


Tom ist so etwas, was der Volksmund einen „hoffnungsvoll Fall“ nennt. Er reagiert mit Aggressionen und Gewalt, wenn es nicht läuft, wie er es möchte.

Ein weiterer, aber nicht weniger brisanter Fall, ist das gehemmte Verhalten der 13-jährigen Aline* (Name geändert).

 

Aline war schon immer ein stilles und schüchternes Kind. Man bemerkte sie kaum. Egal, ob sie in der Klasse saß, mit Freunden draußen war oder zu Hause – Aline war so gehemmt und schüchtern, dass sie nur sprach, wenn sie direkt angesprochen wurde. Auch dann sprach sie nur in einzelnen Worten. Sie fügte sich immer ein, widersetzte sich nie. In der Schule wurde sie zum Mobbingopfer ihrer Mitschüler und auch die Lehrer nahmen keinerlei Rücksicht auf Aline.
Ihre Mutter merkte, dass Aline in der 8. Klasse in der Schule nicht mehr mitkam und besorgte ihr Nachhilfe. In der Nachhilfe sprach Aline zunächst überhaupt nicht und es wurde schnell klar, dass Aline keine Nachhilfe, sondern eine Lerntherapie benötigte. Erst nach drei Monaten traute sie sich überhaupt eine Antwort zu geben. Durch viel Fingerspitzengefühl und gutes Zureden seitens der Nachhilfelehrerin, die gleichzeitig auch Lerntherapeutin war, wurde Aline offener. Als sie plötzlich in der Englischarbeit eine 2,4 schrieb, taute sie völlig auf und akzeptierte, dass ihr die Lerntherapie gut tat.
Dieser Fall zeigt allerdings sehr genau, wie schwer es gehemmte Kinder haben. Gerade sie benötigen eine genau auf sie abgestimmte Lerntherapie.


Genauso wie provokantes, aggressives, depressives oder gehemmtes Verhalten ist ein uneinheitliches Erziehungsverhalten der Eltern ein wichtiger Faktor im sozialen Teufelskreis. Wenn ein Kind innerhalb der Familie keinerlei Stabilität erfährt, ist es schwer für es, ein gesundes und stabiles Selbstvertrauen aufzubauen. Ebenso spielen soziale Belastungsfaktoren eine große Rolle in diesem Teufelskreis.


3. Pädagogischer Teufelskreis
Missverständnisse zwischen Lehrern und Schülern und auch ungeeignete Lernmethoden und -konzepte können bei lernbehinderten Kindern Überforderungen und Enttäuschungen zur Folge haben. Fehleinschätzungen der Lernbehinderung durch Lehrer, Psychologen, Behörden und Eltern und unzureichendes Verständnis der komplexen Zusammenhänge führen beim Kind zu Misstrauen, Vorurteilen und Zukunftsangst. Dadurch kommt es zu nicht passender Förderung, die dem Kind überhaupt nichts bringt und die Folge davon ist weiterer Leistungsabfall.

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